Die Hamburger Bürgerschaftswahl war der Anfang des „Superwahljahres“, einen Erfolg können alle Parteien verbuchen, abgesehen natürlich von der CDU. Ein fader Spitzenkandidat, der aus dem langen Schatten des Vorgängers nicht heraustreten konnte und die Wahlniederlage der Partei auch auf die vielen Zugeständnisse des pöhsen kleinen Koalitionspartners schiebt, zeigte sich einsichtig und kündigte eine „intensive Analyse der Lage“ der Partei an. Ahlhaus stand von Beginn an auf verlorenem Poster, er war für die Wähler stets ein Fremdkörper, vor Wochen schon gab die CDU-Spitze den Kampf auf, sah die Wahl schon als verloren an. Dies hielt Ahlhaus natürlich nicht davon ab, den „starken Zusammenhalt und die intensive Arbeit“ der Partei zu loben – wie hier eine sinnvolle Analyse möglich sein soll, bleibt im Unklaren.
Auch die FDP sieht sich als Gewinner, schließlich konnte man die 5%-Hürde nehmen, ist somit aktuell in allen Landtagen verteten (wie lange dies so ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt) und kaum war die erste Prognose um 18 Uhr heraus, schnappte sich Generalsekretär Lindner den Zettel der Version #1, trat vor die Presse und sonderte die üblichen Phrasen ab. Dass die FDP in einer Stadt, die den zweithöchsten Millionärsanteil in ganz Europa hat, sich über einen Einzug ins Parlament freut, dass nicht Westerwelle oder die Spitzenkandidatin Katja Suding als erste vor die Kamera huschten, zeigt aber, dass die FDP weiter in der Krise und sich dessen auch bewusst ist.
Die GAL sieht sich selbstverständlich auch als Gewinner, denn schließlich übertraf man das letzte Ergebnis, knackte sogar die 11%-Grenze. Die Bürger müssen mit der Arbeit der Regierungspartei also zufrieden gewesen sein, Kohlekraftwerk hin, nichtvorhandene Umweltzone her, vom nicht möglichen Verhindern der anstehenden Ausbaggerung der Elbe ganz zu Schweigen – der Bundestrend verlieh der GAL Flügel, doch das ging letztlich nach hinten los. Man erreichte nicht die erhofften 15 + x Prozent und findet sich zukünftig in der Oppositionsecke wieder, in welcher man wie üblich das Altbekannte machen darf: fordern, meckern, das war’s.
Die Linke ist ein weiterer Gewinner, man konnte das Ergebnis der letzten Wahl bestätigen und dies trotz der naiven Kommunismus-Debatte, die Gesine Lötzsch initiiert hatte. Auf eine Regierungsbeteiligung hatte man sowieso nicht gehofft, auch die PDL darf also opponieren – dies ist aber, im Gegensatz zur FDP und den Grünen, kein Problem für die PDL, denn im Gegensatz zu den andern etablierten Parteien weiß sie, dass die Zeit für ihr Programm noch nicht reif ist. Ob dies jemals der Fall sein wird, bleibt natürlich offen.
Der große Gewinner des Abends ist natürlich die SPD, die zwar nicht die Hälfte der Stimmen erreichte, aber die absolute Mehrheit im Parlament erlangte. Ja, auch mit dem auf einem Bürgerentscheid basierenden neuen Wahlstruktur, von deren Kernmöglichkeit übrigens lächerliche 3 Prozent der Wähler überhaupt Nutzen machten, reicht der Gewinn von weniger als 50 % der Stimmen für das Erlangen von mehr als 50 % der Sitze. Grund für den Sieg der SPD war übrigens nicht die eigene Stärke, sondern schlicht und einfach die Schwäche der CDU. Der Scholz-Faktor schlug voll zu, dass er federführend für die Einführung von Hartz IV war, haben die meisten Wähler schon wieder vergessen. Bei der Frage, wenn denn „am besten zu Hamburg passt“, lag Scholz mit über 80 % souverän vorn, der Ausgang der Wahl war frühzeitig klar. Mit der inhaltichen Abgrenzung zu der GAL (v.a. was die Umweltpolitik angeht), ging die SPD auf CDU-Kurs, um genau deren frustrierte Wähler einzufangen – das ist weder sozialdemokratisch noch sozial, macht aber nichts, es geht ja schließlich um Stimmen, nicht um Inhalte. Noch freut sich die SPD über die absolute Mehrheit, dass damit auch die alleinige Verantwortung für die künftige Politik einhergeht, der Wähler die Partei dann bei den nächsten Wahlen dafür bestrafen wird, bleibt zumindest für eine gewisse Zeit ausgeblendet. Wie sehr das Wörtchen „pragmatisch“ die BürgerInnen noch aufregen wird, dürfte ebenso heute kaum jemand bedenken.
Das einzig interessante an der Hamburgwahl ist der Fakt, dass der komplette Wechsel der Regierung aufzeigt, wie wechselwillig heutzutage die Wähler sind. Die „gute alte Tradition“, dass eine Partei bzw. eine Koalition über mehrere Legislaturperioden an der Regierung bleibt, wurde aufgebrochen, dieser Trend wird sich bei den folgenden Wahlen bestätigen. Es ist ein klares Zeichen von Parteienverdrossenheit – ein Begriff, der hoffentlich bald den überholten Begriff der Politikverdrossenheit ablösen wird. Die Wahlbeteiligung lag übrigens wieder bei unter zwo Drittel – „Demokratie = die Diktatur der schrumpfenden Mehrheit“?